Förderung der Alten und Neuen Pinakothek und des Bayerischen Nationalmuseums
Die Pesl-Stiftung Bayern verfolgt seit dem Tod des Stifters Rudolf Pesl im Februar 2022 einen einzigen Stiftungszweck, die Förderung von Ankäufen von Kunstwerken aus der Zeit bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Alte und Neue Pinakothek der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und das Bayerische Nationalmuseum. Bis zum Tod des Stifters Rudolf Pesl wurden Ankäufe von Papierarbeiten der Staatlichen Graphischen Sammlung München unterstützt und ein Ankauf für das Bayerische Nationalmuseum.
„Maria als Himmelskönigin“ von Hans Baldung Grien
Am 12. Mai 2025 haben die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen die erste große Erwerbung mit Mitteln der Pesl- Stiftung Bayern bekanntgegeben, einen spektakulären Ankauf für die Sammlung Altdeutscher Meister in der Alten Pinakothek. Die Pesl-Stiftung Bayern fördert gemeinsam mit der Ernst von Siemens Kunststiftung und dem Pinakotheks-Verein mit großer Freude den Ankauf des herausragenden Werkes „Maria als Himmelskönigin“ von Hans Baldung Grien.
Hans Baldung Grien – der Künstler
Der einer Gelehrtenfamilie in Schwäbisch-Gmünd entstammende Hans Baldung, genannt Grien (1484/85-1545) zählt zu den bedeutendsten und zugleich stilistisch wie inhaltlich eigenwilligsten und originellsten Künstlern der Renaissance nördlich der Alpen. Nach einer mehrjährigen Mitarbeit in der Nürnberger Werkstatt von Albrecht Dürer, in dessen Schatten er in der kunsthistorischen Würdigung lange stand, ließ er sich 1509 in Straßburg nieder und eröffnete dort als Meister eine eigene Werkstatt. In seinen Werken, deren Bandbreite von kleinformatigen Andachtsbildern über Altarretabel und Bildnisse bis hin zu mythologischen und allegorischen Darstellungen und profanen, neuartigen Bildthemen reicht, verbinden sich malerische Finesse, souveräne Kenntnis der etablierten Bildtradition, Einflüsse humanistischen Gedankenguts sowie zeitgenössischer theologischer Diskurse und großer Erfindungsreichtum zu hoch komplexen, oftmals überraschenden und bisweilen sogar schwer zu entschlüsselnden Ergebnissen. Darstellungen der Gottesmutter mit dem Kind stellen einen wichtigen Aspekt im Werk von Hans Baldung Grien dar, den er im Laufe seines Lebens mehrfach und mit ganz unterschiedlichen Ansätzen aufgegriffen hat.
Zum Werk „Maria als Himmelskönigin“
Das nun für München erworbene Gemälde „Maria als Himmelskönigin“, das aus stilistischen Gründen um 1516/18 anzusetzen ist – einer entscheidenden Phase in seinem Leben, denn just in diesem Zeitraum vollendete er den Hochaltar des Freiburger Münsters, einen prestigeträchtigen Großauftrag und kehrte anschließend wieder nach Straßburg zurück – ist vermutlich seine früheste Auseinandersetzung mit dem Medium der Tafelmalerei. Über mögliche Auftraggeber oder Käufer ist nichts bekannt, doch dürfte sich das Bild an ein anspruchsvolles und gebildetes Publikum wie Juristen oder Kleriker gerichtet haben. Baldung Grien kombiniert die Darstellung der gekrönten Himmelskönigin mit der Maria Lactans, der stillenden Muttergottes.

Das Besondere: Realismus und Vision
Neben der hohen malerischen und koloristischen Qualität, die für sich genommen den Ankauf für die Alte Pinakothek rechtfertigen würde, zeigt das auf den ersten und flüchtigen Blick vermeintlich traditionell wirkende Bild exemplarisch Baldungs besondere Fähigkeit zu eigenständigen, von gängigen Mustern abweichenden und dabei inhaltlich anspruchsvollen Bilderfindungen: So kontrastiert Baldung einerseits die idealschöne, mit ihren fein gelockten Haarsträhnen durchaus sinnliche Mariengestalt mit einem mit geradezu packendem Realismus gezeigten Säugling, der hungrig und ganz irdisch an der Brust der Mutter trinkt. Gleichzeitig sorgt der hauchzarte, transparente und von der Bügelkrone Mariens in einem weiten Bogen herabwehende Schleier – ein malerisches Bravourstück – für eine sinnfällige Verbindung beider Figuren, indem der Schleier sich mit dem Windeltuch des Jesuskindes zu vereinen scheint und so sinnfällig und beiläufig auf die doppelte Natur des Jesuskindes hinweist. Doppeldeutig erscheint auch die fahle, in ihrer Helligkeit mehrfach abgestufte Scheibe hinter dem Kopf der Maria: Einerseits als Heiligenschein lesbar, hat sie zugleich den Charakter einer übernatürlichen Lichterscheinung, die erneut die göttliche Natur Christi bezeugt wie auch die Aufnahme Mariens in himmlische Sphären. Damit erweist sich die Darstellung als überzeitliche Vision, die sich vor unseren Augen ereignet, worauf auch die wie geblendet wirkende, fast karikaturhaft und in Grisaillemalerei ausgeführte Engelsfigur zur linken Seite der Muttergottes anzuspielen scheint.

Die Sammlung altdeutscher Malerei der Alten Pinakothek
Mit diesem bedeutenden Ankauf kann eine Lücke der Sammlung auf höchstem Niveau geschlossen werden: Die Alte Pinakothek verfügt bereits über eine wichtige Gruppe von Werken Baldung Griens. Ein kleinformatiges Andachtsbild, eine wichtige Gattung in seinem Werk, fehlte indes. Auch fügt sich das Bild nahtlos in die Reihe bedeutender Madonnendarstellungen Altdeutscher Meister wie Albrecht Dürer oder Albrecht Altdorfer ein und setzt weitere spektakuläre Akzente. Das Werk reiht sich so perfekt in die bestehende Sammlung ein – eine der größten und zugleich bedeutendsten dieser Art überhaupt – , dass es fast wie für diesen Ort geschaffen scheint.

Hans Baldung, gen. Grien (1484/85-1545)
Maria als Himmelskönigin, um 1516/18
Lindenholz, 35 x 25.5 cm
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek
Erworben 2025 mit Mitteln der Pesl-Stiftung Bayern, der Ernst von Siemens Kunststiftung und des Pinakotheks-Vereins
Die Pesl-Stiftung Bayern als Förderer
Ankäufe dieser Qualität sind seltene Glücksfälle und für öffentliche Museen aus Haushaltsmitteln in der Regel kaum zu realisieren. Dies unterstreicht die überragende Bedeutung der Pesl-Stiftung Bayern, die zukünftig mit ihren dauerhaft zur Verfügung stehenden Fördermitteln die bedachten Museen in einer Weise unterstützen kann, die ganz neue Möglichkeiten eröffnen.
Zur Provenienz – gut dokumentiert und illuster
Baldungs „Maria als Himmelskönigin“ besitzt eine gut dokumentierte und illustre Provenienz. Nachdem es 1907 aus Basler Privatbesitz in das Fürstlich Hohenzollern‘sche Museum in Sigmaringen gelangt war, wurde es 1928 vom jüdischen Lederwarenfabrikanten Robert von Hirsch, einem begeisterten und passionierten Kunstsammler, für dessen Privatsammlung in Frankfurt erworben. Beraten vom damaligen Direktor des Städelschen Kunstinstituts, Georg Swarzenski, trug Robert von Hirsch eine der bedeutendsten Privatsammlungen der Weimarer Republik mit Schwerpunkt auf Kunst und Kunsthandwerk des Mittelalters und der Renaissance zusammen. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gelang es Robert von Hirsch bereits 1933, nach Basel zu emigrieren, wobei er auch seine Kunstsammlung in die Schweiz ausführen konnte (ein von ihm als Gegenleistung unter Zwang an Hermann Göring abgetretenes Cranach-Gemälde wurde nach Kriegsende an ihn restituiert). Nach seinem Tod im Jahr 1977 wurde, wie testamentarisch vorgegeben, die komplette Sammlung Robert von Hirschs 1978 in London versteigert, wobei zahlreiche Werke ihren Weg in die Sammlungen bedeutender deutscher wie internationaler Museen fanden. Nach 25 Jahren in einer deutschen Privatsammlung gelangte Baldungs „Maria als Himmelskönigin“ 2012 in amerikanischen Privatbesitz, woher die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen das Gemälde unter Vermittlung des New Yorker Kunsthändlers Nicolas Hall nun erwerben konnten.

Ein neuer alter Rahmen
Das Gemälde wurde im Zuge der Neuerwerbung neu gerahmt. Nach intensiver Recherche konnte ein ästhetisch perfekt passender historischer Profilrahmen (Deutschland um 1500-1550, Nussbaumholz, mit Schellack gefasst) bei Knoell Rahmen in Basel gefunden werden, dessen Erwerb die Pesl-Stiftung Bayern ebenfalls ermöglichte.

Zu sehen in der Ausstellung „Wie Bilder erzählen” ab 5. Juni 2025
Ab dem 5. Juni 2025 ist die bedeutende Neuerwerbung im Rahmen der Sammlungspräsentation „Wie Bilder erzählen. Storytelling von Albrecht Altdorfer bis Peter Paul Rubens“ in Saal XII in den Sonderausstellungsräumen der Alten Pinakothek zu sehen, wo sie ihren ersten großen Auftritt im Kontext der Sammlung erhalten wird. Weitere Ankäufe werden folgen.
Wir danken Gabriel Dette M.A. Sammlungsleiter Altdeutsche und Altniederländische Malerei für diesen Text.
Bildnachweis: Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek München, Foto: Sibylle Forster